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Interview: Der vegane Profikoch und Buchautor Sebastian Copien über die Vorzüge pflanzlicher Küche

Aktualisiert: 17. Okt. 2022


Sebastian Copien Vegan-Klischee Ade Vegan Masterclass
(c) Ingolf Hatz

Sebastian, du bist als professioneller Koch nicht direkt mit veganer Küche eingestiegen. Wann ist dir das erste Mal die Idee gekommen, komplett auf pflanzenbasierte Küche umzuschwenken?

Ich war sechs Jahre lang selbstständig als Koch, ganz klassisch Omnivor, und habe die komplette Bandbreite gekocht. Vor über zehn Jahren fing ich an, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Vorerst habe ich vegetarisch gekocht, nach zwei Jahren dann vegan. Es war für mich die logische Konsequenz.


Wie sehr steckte aus deiner Sicht Veganismus und vegane Ernährung zu dem Zeitpunkt noch in den Kinderschuhen?

Damals war Veganismus sicherlich noch eine Randerscheinung, aber es hat sich zuletzt viel getan. Besonders in den letzten fünf Jahren gab es unglaubliche Sprünge. Zwei der Hauptgründe sind sicher ökonomischer und ökologischer Natur. Unternehmen nehmen Veganismus als rentablen Markt wahr. Es sind so viele neue pflanzlichen Produkte in den letzten zwei Jahren auf den Markt gekommen, das ist einfach der Knaller. Die Qualität wird zum Glück auch immer besser, wobei einige der Unternehmen gut daran täten, sich ein paar kulinarische Profis in Person von professionellen Köchinnen und Köchen an Bord zu holen (lacht). Genauso wird in der breiten Masse auch wahrgenommen, dass man ökologisch aktiv handeln muss, damit wir noch lange etwas von unserer Welt haben. Der immense Fleischkonsum trägt schlichtweg extrem zum Klimawandel bei.


Hilft dir bei der Rezepterstellung der Blick über den deutschen Tellerrand? Gibt es Küchen auf der Welt, für die vegane Ernährung selbstverständlicher ist?

Definitiv. Man kann es fast schon pauschal sagen: Je wärmer es in den jeweiligen Ländern ist, desto leichter und Gemüse-fokussierter wird die Küche. Das hat aber auch viel mit dem Thema Wohlstand zu tun. In ärmeren Regionen werden viel mehr Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide gegessen, als in Gegenden mit viel Wohlstand. Ich versuche zudem alle Länderküchen abzudecken, die mich interessieren. Klassische französische Küche mit dunklen deftigen Saucen und einem buttrigen Püree beispielsweise. Bei dem merkt übrigens niemand, dass er vegan ist, so wie ich ihn koche. Genauso wichtig sind mir allerdings auch deutsche Klassiker, oder indische, italienische und andere Länderküchen, die mich auf meinen Reisen begeistert haben.


In Kooperation mit Niko Rittenau leistest du immer noch so etwas wie Aufklärungsarbeit – so heißt ein Buch auch Vegan-Klischee ade!. Auf welche Klischees triffst du heute noch?

Seitdem ich mich damit beschäftige, sind die Klischees die gleichen geblieben. Eines, das ich oft höre, ist: „Vegan schmeckt nicht!“ An diesem Punkt fängt dann meine Arbeit an. Ich bringe Menschen klassische, gute Kochtechniken bei, und diese gute Küche ist dann zufällig auch vegan. Ein weiteres, oft gehörtes Klischee ist, dass man mit pflanzlicher Ernährung nicht alle Nährstoffe abdecken könne. Das wäre dann Nikos Fachgebiet.


Erlebst du es, dass „vegane Ernährung“ im Extremfall ein Reizwort für Menschen ist?

Ja, das Wort ist häufig negativ konnotiert. Ich spreche deshalb oft von pflanzlicher Küche oder sage es gar nicht erst dazu. Wenn ich es zum Beispiel bei meiner veganen Bolognese nicht erwähnen würde, dann würde der Großteil der Probierenden in einer Blindverkostung gar nicht merken, dass sie ohne Fleisch gekocht ist. Weil sie einfach gut zubereitet ist und ich viel Fokus auf Röstaromen lege. Außerdem köchelt die Bolognese auch sechs Stunden, so, wie es sein soll. Das meiste beim Thema Essen spielt sich im Kopf und in der Nase ab. Geruch ist wichtiger als Geschmack. Das, was wir oft als Geschmack definieren, hat mehr mit Geruch zu tun. Wenn man das weiß, ist es sehr einfach mit guter veganer Küche zu begeistern.


Bleiben wir beim Thema Reizwort: Warum eckt vegane Ernährung an? Hat sie einen Aspekt von „Sieh her, ich ernähre mich besser als du“? Oder wird sie so wahrgenommen, dass man Menschen etwas wegnehmen will? Und wenn es so etwas Irrationales wie das Recht auf Fleisch ist.

Ich glaube, dass es eher daran liegt, dass die meisten Menschen tief im Herzen wissen, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, wie mit Tieren in der Massenhaltung umgegangen wird. Das löst einfach zwangsläufig eine Verteidigungshaltung aus. Müssten wir die Tiere selbst töten oder mit eigenen Augen zusehen, wie es in den Schlachtfabriken und Zuchtstationen zugeht, dann würde nur noch ein Bruchteil der Menschen tierische Lebensmittel essen.


Erlebst du dich in solchen Diskussionen in einer Defensivposition oder kannst du sie so einsortieren, dass es weiterhin den genannten Aufklärungsbedarf gibt?

Ich versuche im ersten Schritt nicht über dieses Thema zu sprechen, sondern stattdessen durch gute Küche zu begeistern. Damit ist die Tür für Weiteres geöffnet. Das ist ein großes Thema, gerade bei Schulungen in der Gastronomie. Erst wenn die Köche merken, dass ich ein lustiger Kerl bin, der weiß, wovon er spricht, und von dem sie noch etwas lernen können, nehmen sie mich auf Augenhöhe wahr. Auf dieser Basis können wir anfangen zu arbeiten.


Gibt es einen Trick, wie du stoische Kritiker kulinarisch überzeugst? Ist es die

vegane Frikadelle mit Kartoffelsalat, die du ihnen servierst? Oder ist es genau andersherum, dass du eben nichts nachahmst, sondern aus dem Vollen schöpfst?

Sowohl als auch. Mit Klassikern wie Bratenjus, Bolognese oder Gulasch ist es sehr einfach, bei vielen Menschen Emotionen zu wecken. Wenn man klassische Gerichte vegan zubereitet, muss man das technisch sauber abliefern. Sonst geht es eher nach hinten los, denn natürlich wird verglichen und deswegen muss das Zubereitete mindestens so gut wie das Original schmecken. Oftmals ist es deshalb einfacher, auf hohem Niveau kreative Gemüseküche zu kochen, wenn das Gemüse der Star auf dem Teller ist. Dabei aber bitte nicht die Protein-quelle vergessen, was gerade in der Gastronomie zu 70 Prozent passiert. Aber ohne den Proteinanteil wird man nicht gescheit satt und das Essen macht auch nicht gleichermaßen glücklich.


Sebastian Copien Vegan Masterclass
(c) Hansi Heckmeier

Wie beurteilst du den aktuellen Trend, dass Lebensmittelhersteller die Produktsparte „Vegan“ für sich entdeckt haben, diese aber eigentlich nur mit Umsteigerprodukten bestücken, die ebenso hochindustriell verarbeitet sind?

An sich ist das eine gute Entwicklung, da jedes Tier, das nicht auf dem Teller landet, für mich ein Gewinn ist. Viele der großen Unternehmen tun dies natürlich aus einem wirtschaftlichen Antrieb. Dort leidet dann leider manchmal die Qualität der einzelnen Produkte. Andererseits gibt es auch sehr gute Produkte. Wenn diese qualitativ hochwertig hergestellt sind und kuli-narisch das bedienen, was ich mir wünsche, haben doch alle gewonnen.


Geraten sich die Aspekte von Umweltschutz und Tierwohl in die Quere, weil die Packungsgrößen veganer Ersatzprodukte nochmal kleiner geworden sind? Würdest du das eine dem anderen vorziehen? Mehr Plastikmüll ist noch zu verkraften, solange kein Tier sterben muss?

Das ist kein Problem, welches pflanzlich hergestellte Produkte für sich gepachtet haben. Hier

muss es in der gesamten Industrie ein Umdenken geben. Es ist irrsinnig, wieviel Müll wir

produzieren. Jedoch sieht man in den letzten Jahren auch immer mehr Menschen, die sich für dieses Thema sensibilisieren lassen. Ich würde diese Punkte nicht gegeneinander auf-wiegen, sondern versuchen, getrennt voneinander zu betrachten.


Heiko Antoniewicz sagte im buddy-Interview, dass Köche in ihrer Ausbildung viel lernen: Techniken, gesetzliche Vorgaben – aber keinen Geschmack. Worauf setzt du in deinen Kochkursen? Zu gleichen Teilen Technik und Geschmackserfahrung? Oder steht etwas im Vordergrund?

Beides gleichermaßen. Menschen müssen verstehen, wie Geschmack entsteht. Kombiniert mit der richtigen Kochtechnik führt dies zu einem großartiges Esserlebnis. Das ist bei veganer Küche noch wichtiger, und genau das versuche ich den Teilnehmenden in meinen Kursen auch zu vermitteln.


Bekommst du von deinen Teilnehmern Rückmeldungen, wie hoch die „Rückfallquote“ in den Fleischkonsum ist?

Ich frage die Teilnehmenden nicht, wer vegan ist. Es sind sicherlich auch Omnivore und Vegetarier dabei. Ich weiß von vielen Menschen, die durch meine Live-Kurse oder durch meine Online-Kochschule Vegan Masterclass zur veganen Ernährung gefunden oder wenigstens den Anteil pflanzlicher Gerichte im Alltag stark angehoben haben. Die Quote derjenigen, die zur veganen Ernährung finden, oder diese als Basis in ihren Alltag inte-grieren, ist meiner Erfahrung nach signifikant höher als es andersherum der Fall ist. In meinen Augen ist jedes Stück Tier, das weniger gegessen wird, ein Gewinn. Erstmal für das Tier selbst, aber auch für unsere Umwelt, den Planeten und in den meisten Fällen auch für die Gesundheit. Nebenbei schafft die vegane Ernährung einfach ein supergutes Lebens-gefühl!


Was sind deine Must-Haves für die Vorratshaltung? Was darf auf keinen Fall im

Gemüsefach oder im Regal fehlen?

Bei Gemüse und Obst orientiere ich mich sehr stark daran, was gerade Saison hat. Ansonsten

dürfen Hülsenfrüchte nicht fehlen – in jeder erdenklichen Form, seien es dicke Bohnen oder Tofu und Tempeh. Jedoch finden sich auch oben erwähnte Ersatzprodukte in meinem Kühlschrank, etwa von meinen Freunden von planted.


Macht der vegane Einkauf mehr Arbeit? Wenn die Bio-Möhre lieber nicht vom Discounter sein sollte, sondern bestenfalls regional und aus dem Bio-Markt?

An sich hat Bio erstmal nichts mit vegan zu tun. Ob die Produkte, die man konsumiert, Bio sind, muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Bio-Produkte haben jedoch häufig eine bessere Qualität. Ich glaube der Aufwand steigt nicht unbedingt, man kennt seine präfe-rierten Ecken in den Bio- und Supermärkten.


Um nochmal auf die eingangs erwähnten Vorurteile zu kommen, ich präsentiere dir noch eines: „Ich habe nicht nur mehr Lauferei, der Einkauf ist auch noch teurer!“

Ich denke, wenn man frisch kocht, trifft das nicht zu. Ich habe mit Niko Rittenau zusammen

das Buch Vegan Low Budget geschrieben, das sich dem Thema widmet, wie man mit wenig Geld nährstoffreiche und gute vegane Gerichte in seinen Alltag integrieren kann. Ersatz-produkte sind im Schnitt noch teurer. Dies hängt einerseits mit politischen Entscheidungen wie Subvention und der Mehrwertsteuer zusammen, andererseits wurden viele dieser Produkte erst in den letzten Jahren entwickelt. Da wird sich in nächster Zeit sicherlich noch einiges tun.

 

Zur Person

Der 1981 in München geborene Sebastian Copien absolvierte eine Ausbildung zum Koch und ist seitdem sehr umtriebig: ob als Gastgeber für Bio-Kochkurse in seiner Kochschule in Grünwald, als Gründer der veganen Online-Kochschule Vegan Masterclass oder als Buchautor.

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