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Interview: Sportfreunde Stiller über Ängste und ihr Album-Comeback


Sportfreunde Stiller Jeder nur ein X
© Ingo Pertramer

Ihr kommt gerade von einer (Festival-)Tour zurück – wie fühlt sich das für euch an, nach so langer Zeit wieder auf der Bühne zu stehen?

Peter: Für uns ist das ein spezieller Fall, weil wir seit fünf Jahren nicht mehr gespielt haben. Wir sind alle noch ein bisschen ungläubig und haben strahlend auf der Bühne gestanden.

Florian: Wir können es gar nicht wirklich beurteilen, wie es ist, nach einer Pandemie zurückzukommen, weil unsere Pandemie quasi schon vor fünf Jahren gestartet hat. Aber man hat schon gemerkt, wie baff die Leute ohne Maske dastanden. Es ist ein Befreiungsschlag für uns und das Publikum.


Jeder nur ein X, der Titel eures neuen Albums, kann auf viele verschiedene Weisen verstanden werden. Was möchtet ihr damit ausdrücken?

Peter: Die ursprüngliche Idee kam natürlich von der großartigen Monty-Python-Szene aus Das Leben des Brian. Es ist einfach der prägende Humor unserer Jugend. Und wir fanden interessant, dass „jeder nur ein Kreuz, jeder nur ein X“ auch für Entscheidungen steht, die man treffen kann. Zum Glück leben wir in einer freien Gesellschaft, in der wir noch selbst entscheiden dürfen.


Inwiefern spiegelt sich dieser zweideutige Titel auf dem Album wider?

Peter: Das ist das Interessante an Jeder nur ein X – es ist einerseits sehr humorvoll, andererseits tiefgründig. Wenn ich sehe, was wir in der heutigen Gesellschaft durchleben, sei es der gesellschaftliche Druck oder der schlimme Krieg in der Ukraine. Jeder hat nur ein Kreuz, auf dem er Dinge tragen kann. Wir finden das steckt auch in dem Album – da sind zwar auch Feelgood- und Selbstakzeptanz-Lieder wie I’m Alright drauf, aber gleichzeitig auch Songs wie Wächter, in dem es um Depressionen und Angststörungen geht.


Wie unterscheidet sich das neue Album musikalisch und inhaltlich denn von den Vorgängern?

Florian: Musikalisch ist es sehr spannend, weil Produzent Tobias Kuhn ein alter Wegbegleiter und Freund von uns ist. Er hat mit uns 2009 an MTV Unplugged in New York gearbeitet. Dass wir jetzt ein Studioalbum mit ihm zusammen machen, ist eine glückliche Fügung, weil Tobi unsere Stärken und Schwächen mittlerweile genau kennt. Er fragte uns, warum wir nach fünf Jahren Pause wieder Gitarrenbretter und Verzerrer verwenden wollen. Man könne es doch viel spannender gestalten, ohne die ganze Atmosphäre oder den Vibe zu verlieren. Dann hat er uns seine Ideen vorgestellt.


Und wie fandet ihr diese Ideen?

Florian: Nun, wir waren komplett begeistert, bei manchen Sachen aber total schockiert. Gerade deswegen wurde das Album letztlich aber viel musikalischer und atmosphärischer, als wir es uns je gedacht hätten. So tiefgründige Lieder wie Wächter hatten wir nämlich noch nie. Trotzdem konnten wir auch mit dem Song Du bist eine Bank eine Brücke zu unserer Vergangenheit schlagen – das knüpft nämlich an den Drive und Inhalt unserer Anfangszeit an.


Für den Song Ibrahimovic habt ihr euch einen besonders auffälligen Charakter als Protagonisten ausgesucht.

Peter: Die Idee kam mir in den Kopf, als ich gelesen habe, dass in einem Spanien-Schweden-Länderspiel ein junger Kollege von Zlatan Ibrahimovic von einem Spanier angegangen worden ist. Darauf hat Ibrahimovic den Spanier geschubst und gesagt: „Wenn du was zu sagen hast, wende dich an mich.“ Der Typ ist krass und kritisch zu hinterfragen, aber das Bild vom großen Bruder hat mich sehr beeindruckt. Und darüber kam es zur Auseinandersetzung mit Angst – gerade in unseren Zeiten ist das ein wichtiges Thema.

Flo: Mir gefällt die Vorstellung mit solch einer Haltung der Angst entgegenzukommen. Das ist natürlich nicht naiv zu verstehen: Ängste sind äußert schwerwiegend und können nicht mal eben zur Seite geschoben werden. Aber diese Symbollastigkeit des großen Bruders hat uns gefallen. Während der Aufnahme kam auch noch dieser dancige Wahnsinn dazu – sowas hatten wir auch noch nicht.


Wir kommen nicht um das Thema Fußball herum, allein wegen ein paar eurer neuen Songs nicht. Wie steht ihr denn zur umstrittenen Fußball WM in Katar dieses Jahr?

Peter: Das ist unsäglich, dass so viele Menschen für einen sinnlosen Stadionbau sterben. Dass der Fußball-Weltverband so etwas unterstützt, dort Kohle reinpumpt und auch wieder rauszieht, ist einfach traurig und beschämend. Das bringt selbst mich, den siebtgrößten Fußballfan der Welt, schon dazu, zu sagen, dass das ganze Business um den Fußball verkommen ist. Ich würde mir wünschen, dass es eben nicht nur um Kohle geht. Das Spiel an sich ist nach wie vor toll und unschuldig. Aber alles, was darum geschieht, kann man nicht gutheißen.


Für einige sind Sportfreunde Stiller und Fußball untrennbar – ist dieser Bezug überhaupt noch aktuell?

Florian: Wir fühlten uns nie als Fußballband. Uns gibt es seit 1996 und wir haben zwei EPs und acht Alben gemacht, eins davon war ein Fußballalbum. Es war natürlich ein wahnsinniger Aufschlag mit ’54, ’74, ’90, 2006 und völlig okay, dass uns die breite Masse mit dem Lied kennengelernt hat. Aber ich glaube wir haben genügend Lieder, die beweisen, dass wir keine Fußballband sind.

Peter: Wir haben früher gerne mit diesem Image gespielt, aber dieses Mal hatte ich das nicht auf dem Schirm. In Ibrahimovic singen wir zwar über den berühmten Fußballer, aber der echte Ibrahimovic ist mehr eine Figur oder ein unrealer Superheld für mich als alles andere.

 

Zur Band

Zeit und Abstand können viel bewirken: Fünfeinhalb Jahre haben Sportfreunde Stiller ihre Akkus aufgeladen, um lauter und erwachsener als je zuvor auf der Matte zu stehen. Schlagzeuger Florian Weber und Sänger Peter Brugge berichten entschlossen über ihre Rückkehr auf die Bühne.


Album: Jeder nur ein X

Ihr letztes Album Sturm & Stille liegt über sechs Jahre zurück, auf Jeder nur ein X klingen die humorvollen Indierocker ernsthafter denn je. Ihre neuen Songs gehen oft in die Tiefe und zeigen, dass die Münchener mehr als nur eine „Fußballband“ sind, auch wenn ein Song von Fußballer Zlatan Ibrahimovic handelt.

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