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"Es kursiert sehr viel gefährliches Halbwissen"

Weniger Fleisch zu essen ist für viele das neue Credo. Die Qualität soll stimmen und die Zubereitung mindestens Restaurantqualität bieten. Was aber, wenn man von nichts eine Ahnung hat? Fleisch-Sommelier Martin Hesterberg hilft buddy-Lesern weiter.



Martin, was ist deine Berufsbezeichnung?

Grundsätzlich bin ich ein klassischer Industrie-Kaufmann, Handelsfachwirt und Betriebswirt in der offiziellen Sprache. Wenn es um meine Leidenschaft geht, dann würde ich sagen: Ich bin diplomierter Fleisch-Sommelier und Fleischbotschafter. Darunter fallen Themen wie Foodscouting und Sortimentsberatung für den „Metzger des Vetrauens“.


Jetzt, wo das Wetter wieder schön wird, stehst du direkt an der Front in deinem Filetshop und berätst grillwillige Männer. Was erlebst du da?

Wir Deutschen sind oftmals noch auf dem Kotelett-Niveau der 80er. Es wurde zwar die Hardware nachgerüstet, also Grills in jeder Ausführung, da geht es auch schnell mal in den niedrigen vierstelligen Bereich. Aber die Fähigkeit damit umzugehen – ganz zu schweigen von der Fleischqualität, die hinterher obendrauf landet – hängt dem hinterher.


Wo liegt der Fehler?

Die Leute werden einfach nicht richtig beraten. Es fängt ja mit der Frage an: Welches Fleisch möchte ich grillen? Und davon hängt einiges ab. Welche Hitze braucht man? Grillt man das offen, muss das bei geschlossenem Deckel und indirekter Hitze nachziehen. Wenn man ein Kurzbratstück hat, was „nur“ auf Temperatur gebracht muss, ist das natürlich eine andere Herangehensweise, als wenn man ein Pulled-Pork oder Rippchen machen will.


»JE HÖHER DIE AUSGANGSQUALITÄT DES FLEISCHES IST, DESTO EINFACHER WIRD ES, EIN PERFEKTES STEAK DARAUS ZUZUBEREITEN.«

Wie sieht bei dir die Beratung in der Praxis aus?

Die Leute kommen rein, stellen sich vor die Theke, sagen „Ich hätte gerne was zum Grillen!“ und schauen dich dann erwartungsvoll an. Dann frage ich erstmal zurück: „Was für einen Grill haben Sie denn?“ Dann kommt: „Einen Weber.“ Und dann sind die schon stolz wie Bolle. Dann mache ich aber weiter: Kohle oder Gas? Welcher Rost liegt darauf? Aus Guss oder Emaille?


Warum fragst du das alles ab?

Weil es keinen Sinn macht, dass ich jemandem ein Steak verkaufe, was nicht zu seinem Equipment passt. Wenn sich herausstellt, dass jemand zwar einen Gasgrill hat, der aber keine Power bietet, dann rate ich dazu, zum Beispiel ein Skirt-Steak in der Grillpfanne auf dem Herd zu machen, weil das Ergebnis das bessere sein wird. Wenn man nur 260 Grad auf seinem Grill hat, bekommt man in der Kürze der Zeit kein vernünftiges Branding hin und wenn man es solange liegen lässt, bis es außen vernünftig aussieht, ist es innen kaputt.


Wenn das geklärt ist: Welche weiteren Hürden warten dann auf dem Weg zum perfekten Steak?

Man muss gegen die natürlichen und nachvollziehbaren Bedenken angehen, dass man sich als Hobbygriller noch nicht in der Tiefe mit der Materie befasst hat, weswegen niemand teures Fleisch „versauen“ will. De facto ist es aber so, dass ich jedem dazu raten würde, gerade auch zum Testen eine Qualitätsstufe höher zu gehen, als vielleicht das, was man sich vorgestellt hatte. Je höher die Ausgangsqualität des Fleisches ist, desto einfacher wird es, ein perfektes Steak daraus zuzubereiten. Das Fleisch verzeiht dir einfach mehr.


Trifft das auf offene Ohren oder denken die Leute, dass du ihnen nur das teurere Stück verkaufen willst?

Wenn ich auf jemanden eingehe und ihm das so erkläre, dann ist derjenige beruhigt und nimmt das auch an. Man merkt, dass viele Kunden bewusster Fleisch einkaufen. Das mag insgesamt ein Lifestyle-Thema sein: weniger von allem, dafür aber auf die Qualität achten. In Bezug auf Fleischgenuss bedeutet es, dass man weniger Probleme beim Handling hat. Selbst im durchgebratenen Zustand, was ein No-Go ist, ist es immer noch saftig und zart.



Lass uns den Punkt aufgreifen: „Saftig“ bedeutet für viele immer noch, dass wenn man ein Steak anschneidet der Fleischsaft ausläuft. Wo ist der Fehler?

Es kursiert gefährliches Halbwissen. Das perfekte Steak ist saftig, aromatisch und zart. Zwischen diesen Attributen kann man seinen eigenen Geschmack ausleben. Der eine mag es lieber aromatisch, der andere will es nur butterweich, weil er ohne BBQ-Sauce nicht leben kann, dem ist der Geschmack fast egal. Und dann gibt’s die Liebhaber der perfekten Balance aus allen drei Eckpunkten. Früher habe ich auch gedacht, dass es ein Zeichen von Saftigkeit ist, wenn man ein Fleisch anschneidet und Fleischsaft austritt. Das ist natürlich falsch.


Wofür ist es dann ein Zeichen?

Eventuell dafür, dass man eine schlechte Fleischqualität gekauft hat. Aber viel wahrscheinlicher ist, dass man dem Steak nicht die perfekte Zubereitungszeit zur Verfügung gestellt hat, die es braucht. Was passiert beim scharfen Anbraten? Man stelle sich ein Tomahawk-, Rib-Eye- oder ähnliches Steak vor. Wenn du das auf den Grill oder in die Pfanne legst, gibst du Hitze auf ein Fleischfaserbündel, nämlich auf die Schnittfläche des Steakcuts. Das kursiert immer als das berühmte „die Poren schließen“, was technisch gesehen Quatsch ist, das Fleisch hat keine Poren. Was passiert: Durch die Hitze ziehen sich die Faserbündel zusammen – man kann es sich vielleicht so vorstellen, als wenn man Strohhalme hochkant in eine heiße Pfanne gibt und sich die Enden verkrusten. Das bedeutet für den Fleischsaft, der im Fleisch eingelagert ist, dass er nach oben drückt. Wenn man das Steak dann wendet, passiert dasselbe von der anderen Seite und der Saft sammelt sich in der Mitte. Wenn man dem Steak dann nicht die Ruhe gibt, dass sich zum Beispiel bei milder Hitze im Backofen dieser Fleischsaft wieder gleichmäßig verteilen kann, dann schneidet man das Fleisch an und sticht wie in eine Blase, die ausläuft. Na dann Mahlzeit.


Morgen geht’s an dieser Stelle mit Fleischqualitäten und weiteren Zubereitungsempfehlungen weiter. Fotos: Oliver Nauditt

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