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Redaktion

Dirk Hany - Der Mixmagier

Dirk Hany ist der Shootingstar der Schweizer Barszene. Der amtierende „Barkeeper of the Year“ ist der Erste, der die renommierte Auszeichnung bei den Swiss Bar Awards bereits zum

zweiten Mal verliehen bekam. Der 37-Jährige verdiente sich seine Sporen unter anderem in der ehrwürdigen Widder Bar in Zürich, ehe er sich gemeinsam mit einem Kollegen im Oktober 2018 mit der Zürcher „Bar am Wasser“ den Traum vom eigenen Laden erfüllte. Seine dortigen Mitstreiter wurden zum besten Bar-Team 2020 gekürt. Ab Sommer 2021 möchte die „Bar am Wasser“ mit neuer Karte voll auf Regionalität setzen.




Dirk Hany, unter deiner „Bar am Wasser“ gibt es einen geheimnisvollen Keller, in dem sechs Töpfe mit Negroni stehen. Was hat es damit auf sich?

Tatsächlich haben wir unter der Bar ein kleines Labor eingerichtet. Dort stehen zum Beispiel ein Ultraschallgerät, ein Rotationsverdampfer, eine Zentrifuge, ein Sous-Vide-Gerät. Und dort produzieren wir auch einen Negroni im Solera-Verfahren.


Wie funktioniert das?

Wir arbeiten mit großen Tontöpfen, in denen sich verschiedene Gins, natürlich Campari, sechs verschiedene Wermuts und ein wenig Sherry befinden. In jeden Topf kommen dann unterschiedliche Botanicals. Topf Nummer 1 ist ein Tee- und Gewürztopf, Nummer 2 ein Wurzeltopf, Nummer 3 eher ein Zitrustopf und so weiter. Wenn die Mischung genug durchgezogen ist, nehmen wir jeweils die Hälfte und mischen sie in zwei weitere Töpfe. So altert unser Haus-Negroni immer weiter und ändert mit der Zeit und je nach Saison den Geschmack.


Was macht einen guten Negroni aus?

Die richtige Balance aus Gin, Wermut und Campari – oder man nimmt statt Campari einen anderen Bitter. Klassisch wären gleiche Teile aus den drei Komponenten. Bei einem floralen Gin zum Beispiel kann man aber mit dem Gin-Anteil etwas runtergehen, dafür mehr Campari nehmen. Bei einem sehr starken Gin geht man mit dem Wermut etwas höher, bei einem bitteren Gin mit dem Campari etwas runter.


„Die Balance muss stimmen“ – gilt das nur für Negroni oder ist es eine Grundregel für alle Drinks?

Letzteres. Ein Drink sollte immer ausbalanciert sein. Ich bin kein Fan von Drinks, bei denen ein Geschmack dominiert. Säure, Süße und Alkoholgehalt müssen abgestimmt sein. Seien wir ehrlich: Wer mag schon puren Alkohol Ich kenne keinen, der einfach einen Shot runterhaut und sagt: So lecker, da nehm ich noch einen! Man sieht ja schon an den verzerrten Gesichtern, dass man Shots nicht zum Genuss trinkt. Ich trinke für den Genuss, und so sollte es auch sein.


In deiner Bar darf man aber trotzdem Shots bestellen?

Nein, bei uns gibt es keine Shots! Wir sind sehr strikt dagegen. Wenn einer sagt, er will unbedingt einen Tequila runterhauen, dann stellen wir ihm einen schönen Tumbler hin, geben ihm Eis dazu – was er dann letztlich mit dem Tequila macht, ist uns egal. Aber bei uns merken die Gäste, dass auch geschmeidig getrunken werden kann: Man muss nicht einfach Shots weghauen, um sich schnellstmöglich auf den Pegel zu bringen. Man kann den Weg zum Pegel auch genießen – dauert nur ein bisschen länger. (lacht)


Siehst du den Trend weg von zu süßen Drinks und hin zu herberen Kreationen?

Kann man so sagen. Andererseits: Wenn man die klassischen Drinks aus den 30er bis 60er Jahren anschaut, sind die extrem süß, die mussten wir alle anpassen. Die Hochphase der Tropical-Drinks, die vor einigen Jahren beliebt waren, ist wohl vorbei, wenngleich ich einen guten Cosmopolitan selbst gerne trinke – er darf einfach keinen Zucker enthalten. Da ist dann Vodka, Zitrus, Cranberry drin, und fertig. Das Verlangen nach ausgewogenen Cocktails wächst sicherlich, man trinkt nicht mehr die süßen Pina Coladas.


Siehst du aktuell ein Rum-Revival kommen?

Durchaus. Das Problem ist: Es gibt noch kein Gesetz, das die Rumherstellung und damit die Qualität regelt. Lediglich Kuba hat Vorschriften, was die Zutaten und das Mindestalter angeht, damit die Spirituose Rum hei en darf. In anderen Ländern fehlt das, und so lange das nicht der Fall ist, wird Rum nicht das Revival feiern, das er verdient.


Hofft man als Barkeeper also auf das Ende des Gin-Booms und darauf, dass etwa der Rum mehr geschätzt wird?

In der Schweiz stagniert Gin inzwischen. Es kommen nicht mehr ganz so viele Gins auf den Markt wie noch vor ein paar Jahren. Interessanter werden die Filler, also: Was gebe ich zu meinem Gin dazu? Über ein Rum-Revival würde ich mich sehr freuen. Meiner Meinung nach hat Rum einen Status wie Whisky verdient. Nicht unbedingt im Cocktail, sondern pur. Rum ist eine sehr spannende Spirituose, es gibt wunderbare Rums aus der ganzen Welt – Australien, Südafrika, Mexiko, USA, Deutschland, Schweiz…


Bräuchte Rum die Standardisierung, um zum Whisky aufzuschließen?

Auf jeden Fall. Relativ neu ist in Europa die Regelung, dass man den zugefügten Zucker deklarieren muss. Ich habe kürzlich mit einem Importeur gesprochen, der Angst davor hat, jetzt plötzlich 43 Gramm Zucker auf der Flasche deklarieren zu müssen. Da könnte die Rum-Industrie in Bewegung kommen: Wenn man den hohen Zuckergehalt auf dem Etikett sieht, überlegt man sich doch zweimal, ob man zu dieser Flasche greift.


Nimm uns nochmal mit in dein Labor: Was ist da dein aktuelles Lieblingsgerät?

Ich bin ein großer Fan von Ultraschall. Das ist aktuell mein Lieblings-Spielzeug – obwohl natürlich der Rotationsverdampfer auch genial aussieht.


Was machst du damit?

Ultraschall kennt man aus der Küche, wo man diese Technik verwendet, um die Fleischfasern weicher zu machen und das Fleisch künstlich altern zu lassen. Dasselbe geschieht bei der Spirituose: Man kann einen Gin oder Wodka reifen, indem man ein Stück Holz hinzufügt. Durch den Ultraschall werden Tannine, Farbe und Geschmack aus dem Holz gelöst und emulgieren direkt mit der Flüssigkeit. Aus Zitrusschalen kann man das reine Öl ohne Saft extrahieren. Die Emulgation ist viel effektiver, als lediglich etwas auf den Drink zu spritzen, wo man dann nur die ersten ein, zwei Schlucke etwas davon hat. Die Hexenküche im Keller ist aber noch nicht so bekannt, das geht gerade erst los. Wir wollen oben mitspielen. Da muss man etwas Besonderes bieten und auch mal etwas riskieren.


Stichwort oben mitspielen: Vermisst du ein Bewertungssystem für Bars, wie es die Michelin-Sterne für Restaurants sind?

So etwas wäre mein Traum! Meine Vision mit der „Bar am Wasser“ ist es, die erste Bar zu sein, die einen Michelin-Stern gewinnt.


Foto: Bar am Wasser / Steven Kohl

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