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Max Heberer - "Ich hatte in meinem Leben das Gefühl, nur noch zu funktionieren."

Aktualisiert: 14. März 2022

Einfach mal kündigen und loswandern? Max hat’s gemacht und erzählt buddy, wie er auf diese vermeintliche Schnapsidee kam und was es mit ihm gemacht hat.

Besondere Ideen reifen oftmals über einen längeren Zeitraum. Max, wie oft hast du es durchgespielt, bis du dich letztlich zu deiner Wanderung entschlossen hast?

Generelle Fluchtgedanken, was meinen damaligen Job anging, hatte ich schon öfter. Letztlich kamen verschiedene Faktoren zusammen, die mich zu der Einsicht brachten: Es wird Zeit, etwas zu ändern. Es geht so nicht mehr weiter. Die Kündigung selbst habe ich unabhängig von der Wanderung vollzogen. Auch wenn es diese Idee nicht gegeben hätte, wäre ich aus dem Job ausgestiegen. Den Traum, einfach mal ein paar Monate draußen und zu Fuß unterwegs zu sein, hatte ich schon sehr stark, der Plan reifte nach meiner Kündigung.


Was gab dir den letzten Kick gab?

Ich war bei meiner Mutter im Berchtesgadener Land zu Besuch. Ich schaute aus dem Fenster und dachte plötzlich: Warum eigentlich nicht hier? Dadurch wurde es ganz konkret.


Muss man solch einen Plan möglichst lange für sich behalten, damit einem keiner reinredet?

Das ist ein guter Punkt. Es gibt zwei Aspekte. Zum einen legt man den bisherigen Lebensentwurf komplett beiseite und macht einen ganz harten Cut. Die Sache mit dem Job habe ich nicht lange für mich behalten, damit bin ich sehr offen umgegangen, auch mit dem Umstand, dass ich erstmal nichts Neues habe. Da gab es in der Familie schon die eine oder andere Frage. So von wegen: Sohn, was machst du denn da? Was die Alpenwanderung angeht, fanden es die Leute, die keine Ahnung von den Bergen haben, einfach nur cool. Andere Leute, die da mehr Erfahrung hatten, meinten hingegen: Du weißt schon, dass das auch gefährlich sein kann, oder?


Und wusstest du das?

Jein. Ich war vorher bereits in den Bergen unterwegs, bin ein paar Tage gewandert. Ich habe sogar schon mal einen Hochtouren-Kurs beim Deutschen Alpenverein gemacht, dabei ging es auch um Gefahren und um das Wetter dort oben. Ich wusste also genug, um abschätzen zu können, dass es auch mal kritisch werden könnte, aber nicht in dem Maße, dass ich sagen konnte, ich wäre mit allen Wassern gewaschen.


Um Abstand von der täglichen Knochenmühle zu bekommen, hättest du dich ja auch drei Monate an den Strand legen können. Warum diese Herausforderung?

Eine simple Auszeit hätte mir nicht geholfen. Ich war an einem schwierigen Punkt in meinem Leben, hatte das Gefühl nur noch zu funktionieren. Da musste ich raus. Was diese Anstrengung angeht, bin ich offen gestanden immer noch dabei, das zu ergründen. Es war ja im Prinzip eine Schnapsidee, auch wenn ich nüchtern war. Die Idee kam auf und, zack, war es klar, dass ich das mache. Dass es letztlich so anstrengend werden würde, ich tagelang nur laufen und schlafen würde, bis mir alles wehtut, war mir vorher nicht bewusst. Ich habe das nicht als ambitioniertes Ziel vor Augen gehabt. Ich hatte eher so eine romantische Vorstellung davon. Schlafen auf dem Gipfel, wie geil ist das denn? Als es so extrem wurde, musste ich feststellen, dass ich mich auch ohne irgendwelche Deadlines oder Arbeitsdruck so extrem vorantreibe, um dieses Ziel, den Mont Blanc, zu erreichen. Das hat mich schon zum Denken gebracht.


Hat dieses Abenteuer deine Wünsche erfüllt?

Die Haupterwartung war es, frei zu sein, im engen Kontakt mit der Natur, die im städtischen Leben so weit weg ist. Das hatte mir krass gefehlt. Dieses Draußensein und das Gefühl für meine Umgebung, das habe ich gefunden, aber das musste sich erst entwickeln. Am Anfang hatte ich schon Angst. Die komplette Dunkelheit, die ganzen Geräusche, sich abends zum Schlafen auf den Boden zu legen, war sehr ungewohnt. In der ersten Nacht im Wald habe ich mir den Biwaksack ganz über den Kopf gezogen, um nicht auf dem nackten Waldboden zu liegen. Das ist mit der Zeit besser geworden, ein Urvertrauen, dass schon alles okay sein würde, ist in mir gewachsen. Das fühlte sich großartig an.



Ganz ohne Komplikationen ging es nicht vonstatten.

Ich habe mir eine Erkältung eingefangen. Allein draußen, mit einem Virus, bei dem Wetter – da habe ich eine klare Grenze gezogen. Meine Moral war in diesem Fall sehr niedrig, weil ich ja praktisch nicht durchziehen musste. Ich habe eine Woche Pause eingelegt, um mich zu Hause auszukurieren. Am Berg wurde es auch zuweilen brenzlig. An einem steilen Hang war mal der Weg unterbrochen, da bin ich mit einem mulmigen Gefühl ohne Sicherung gekraxelt. Davon gab es zwei, drei Situationen, nach denen ich durchaus erleichtert war. Ich bin eben keine Bergziege.


Wie war die Rückkehr ins normale Leben?

Die letzte Woche war ich mit meiner Freundin unterwegs. Ich hatte mir extra vorgenommen, nicht so zu rennen, sondern im Gegenteil, zu entschleunigen und diesen Abschluss zu zweit zu genießen.


Was nimmst du mit?

Gerade aus dieser Zeit nehme ich mit, es wertzuschätzen, vertrauensvolle Beziehungen zu haben. Mir geht es viel besser, wenn ich nicht allein bin, sondern zusammen mit vertrauten Menschen, mit denen ich offen reflektieren und mich fallen lassen kann. Das war sehr schön und hat mein Bewusstsein dafür geschärft, wie wichtig enger Zusammenhalt ist.


Ist deine Schlagzahl im Job heute wieder so wie früher?

Ich mag es nachwievor, produktiv zu sein, etwas zu leisten und beizutragen, auf Ziele hin zu arbeiten. Ich habe damals aber wirklich extrem viel gearbeitet, sechzig Stunden die Woche, und darüber hinaus. Das mache ich heute nicht mehr. Ich bin wieder angestellt, in einem ähnlichen Bereich wie damals, und leiste auch da eine Menge. Aber dass meine Leistung nicht so wesentlich besser wird, wenn ich mir krassen Druck mache, das habe ich für mich gelernt.


Bleibt dieses Abenteuer eine einmalige Sache?

Dieselbe Strecke würde ich nicht nochmal machen, auch das extreme Alleinsein nicht. Aber es zieht mich ganz sicher wieder hinaus. Meine Freundin und ich haben den Traum, irgendwann mal ein paar Monate zu segeln. Die Wildnis reizt mich auch immer noch, aber dann nur für ein paar Tage.


ZUR PERSON


Max Heberer, Jahrgang 1987, studiert in Regensburg Psychologie und Rhetorik. Er wird anschließend erfolgreicher Unternehmensberater, bis er eines Tages genug von seinem komplett durchgetakteten Arbeitsalltag hat. Heberer kündigt und fasst einen Entschluss: Er will die Welt zu Fuß da draußen erkunden, ein neues Verhältnis zu Natur und Einsamkeit und, zu sich selbst finden. Der Weg ist das Ziel: HebererEr geht auf Wanderschaft, läuft zu Fuß, ausgestattet nur mit dem Nötigsten, von Bad Reichenhall zum Mont Blanc. Heute lebt Heberer mit seiner Freundin am Stadtrand und arbeitet wesentlich weniger.

"Gipfelnächte"

In seinem Buch "Gipfelnächte" (Harper­Collins), das unlängst erschienen ist, erzählt Max Heberer die Geschichte seines Abenteuers, wie er an diesen Punkte gelangte und davon, wie er durch den fast heilsamen Prozess des Wanderns und Verzichts auf Luxus währenddessen seine innere Balance gefunden hat.

€ 18 | 256 Seiten

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