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Redaktion

Markus Sämmer - "Man ist wirklich der einsame Wolf."

Im Gespräch mit dem Outdoorkoch Markus Sämmer über Nachhaltigkeit, das Jagen und ob es noch Camping-Spots für Insider gibt.


Markus Sämmer, was ist für dich das Schöne am Winter?

Ich fahre Ski, seitdem ich drei Jahre alt bin. Damals waren die Winter auch echt noch ein bisschen fetter…


...mit Schnee

Genau: Ich hatte schon immer die Sehnsucht, draußen im Schnee zu sein. Die Welt ist dann so in Watte gepackt, die Geräusche sind abgesoftet, ich mag die Kälte und die Luft – für mich ist Winter einfach etwas Tolles.


Wie sieht ein perfektes Winterwochenende für dich aus?

Am besten komplett eingeschneit im VW-Bus aufwachen, als erstes den Bus freischaufeln, Kaffee kochen, kleines Frühstück, Skier an und loslaufen. So stelle ich mir das vor!


Darf man sich da einen alten Bulli vorstellen oder hast du etwas schickes Neues?

Da ein alter Bulli den Wintereinsatz kaum noch überleben würde, habe ich aktuell einen T5, Langversion mit Allrad, auch ein bisschen höhergelegt. Der verfügt über eine wintertaugliche Standheizung und ist auch vernünftig isoliert.


Ist es besser alleine draußen zu sein oder in einer Gruppe?

Beides hat seinen Reiz. Alleine kann man sich wunderbar auf seine Gedanken konzentrieren und sich ein wenig treiben lassen. Bei Wintersport siegt aber ganz klar die Gruppe: Erstens kann man dann schöne Erlebnisse teilen, zweitens sollte man auch den Sicherheitsaspekt nicht vergessen. Zu zweit, zu dritt greift die Kameradenhilfe. Wenn man alleine wirklich verschüttet werden sollte, merkt das ja möglicherweise niemand. Die Gruppen sollten nicht zu groß werden, aber gerade schwierigere Unternehmungen machen in kleinen Gruppen einfach auch mehr Spaß.


Was kann man Outdoor über Freundschaft lernen?

Jede Menge! Es geht schon bei meinem Buddy los, der manchmal mit im Bus schläft. Das im Winter, in so einer engen Kiste – da kommt man sich natürlich recht nahe. Es wird früh dunkel, man ist lange zu zweit unterwegs, hat viel Zeit zu quatschen. Da lernt man sich auf eine ganz andere Art und Weise kennen. Genauso, wenn man zu zweit auf einer Skitour unterwegs ist – dann ist man sogar mehr als nur ein Buddy. Man ist die Lebensversicherung des anderen. Man passt aufeinander auf. Das ist etwas Tiefes, Intimes. Solche Erfahrungen schweißen zusammen. Die Freundschaft wird dadurch sehr besonders und intensiv.


Die Outdoor-Inszenierung in der Werbung oder bei Instagram zeigt oft eher den einsamen Wolf, der todesmutig die unwirtliche Wildnis durchstreift. Kochen und Essen dagegen macht in Gemeinschaft Spaß. Wie gehst du mit diesem Widerspruch um?

Ich denke, dass das kein Widerspruch sein muss. Wenn ich zum Beispiel zur Jagd unterwegs bin, springe ich auch nicht fröhlich in einer Gruppe durch den Wald. Man ist wirklich der einsame Wolf. Aber wenn man abends gemeinsam am Feuer sitzt, teilt man doch die Erfahrung, die man alleine gemacht hat.


Du jagst selbst?

Ja. Jagen, Fischen – ich bin ziemlich selbstversorgermäßig unterwegs. Zuhause haben wir Bienen und Hühner.


Was du kochst, stammt also überwiegend aus eigenem Anbau?

Genau, soweit es möglich ist. Unseren Fleischkonsum kann ich zu 100 Prozent decken, den Fischkonsum auch ganz gut. Gemüse und Obst ist saisonabhängig, man kennt das: diese Zucchinischwemme. Für meine Ansprüche genügt das nicht, da müsste ich dann schon einen Ackerstreifen haben. Honig reicht aber auf jeden Fall, die Eier auch. Selbstversorgung hat auch mit unseren Werten zu tun.


So eine eigene Bienenzucht stelle ich mir sehr aufwendig vor.

Hühner sind jedenfalls deutlich unstressiger. Sie verlangen lediglich eine kleine, dafür tägliche Aufmerksamkeit. Bienen hingegen erfordern im Winter überhaupt keine Arbeit. Die stehen jetzt einfach herum. Dafür geht es im Frühjahr richtig rund. Zur Bienenhaltung benötigt man außerdem sehr fundiertes Fachwissen. Sie bilden einen ganz eigenen Mikrokosmos, und wenn man sie falsch bewirtschaftet, gefährdet man damit direkt auch Nachbarvölker. Ich bin deshalb sehr zurückhaltend, das Thema zu empfehlen. Imkern ist gerade ein Hype. Prinzipiell ist es cool, dass sich so viele Leute dafür interessieren, aber für manche ist ein Patenschaftsmodell, bei dem man dann den Honig erhält, sicher die bessere Lösung.


Imkern, Hühner, Jagen, Anbauen – stemmst du das ganz alleine?

Meine Frau ist auf jeden Fall bei Bienen und Hühnern dabei. Fleisch und Fisch sind meine Angelegenheit. Das ist bei uns ganz archaisch: dass der Mann das Fleisch heimbringt (lacht).


Vermutlich bekommst du durch die eigene Jagd eine andere Beziehung zu Fleisch, als wenn du im Supermarkt abgepacktes Hühnerbrustfilet kaufst...

Schon alleine die Qualität des Fleischs ist eine ganz andere. Das ist auch der ursprüngliche Grund, warum ich mit dem Jagen angefangen habe. Ich bin reiner Fleischjäger, Trophäen interessieren mich nicht. Mich haben in erster Linie Tiertransporte gestört, die sich selbst im reinen Biolandbau nicht verhindern lassen. Im nicht-Bio-Bereich kommen Probleme wie Soja-Fütterung dazu, für die der Regenwald in Amazonien draufgeht. Ich predige sowieso, dass man den Fleischkonsum herunterfahren sollte, esse selbst als überzeugter Jäger nur zweimal die Woche Fleisch.


Wenn man so naturverbunden Outdoor unterwegs ist, wird man offensichtlich nicht automatisch zum Vegetarier?

Manche schon. Ich werte das auch nicht, es ist einfach nicht mein Weg. Ich kann zum Beispiel mit diesem Vegan-Hype gar nichts anfangen. Wer das möchte, kann das sicherlich durchziehen. Hier ist aber großes Hintergrundwissen gefragt, damit nicht Mangelernährung die Folge ist. Fleisch hat bei mir immer noch einen hohen Stellenwert, ich sehe es als etwas sehr Besonderes und halte es für ein großes Geschenk, dieses Fleisch selbst erjagen zu können.


Was macht die Jagd zum Geschenk?

Ich weiß dann: Das Tier hat überhaupt keinen Stress, es steht da, wo es hingehört, im natürlichen Habitat, und im besten Fall hat es den Schuss nicht einmal gehört, weil die Kugel schneller ist als der Schall. Jagen ist eine archaische Tätigkeit, passend für die Moderne: Du hast praktisch kein Tierleid. In der Jagd lernst du außerdem, mit einer anderen Brille durch den Wald zu gehen. Viele haben die Vorstellung: Da kommt der Jäger mit der Knarre und schießt alles tot, was sich bewegt. Das ist aber der allerkleinste Teil. Der viel größere Teil ist Lebensraumverbesserung, Erhaltung der Artenvielfalt, gesunder Wildbestand, Schaffung natürlicher Äsungsflächen. Ich habe gelernt, Spuren zu lesen, Raubvögel am Ruf zu erkennen, zu sehen, wo ein Wildwechsel war, wo Rehe langgegangen sind. Das ist einfach wunderschön und etwas, das ich auch gerne an meine Kinder weitergeben möchte.


Bemerkst du durch die besonderen Herausforderungen der Corona-Pandemie ein neues Interesse an Outdoor-Aktivitäten?

Auf jeden Fall. Gerade das Thema Camping, das vorher schon boomte, erlebt aktuell einen Boom 2.0. Das ist allerdings Fluch und Segen zugleich: Auch da ist irgendwann eine Sättigung erreicht. Irgendwann ist auch der schönste Platz mit fünf

Leuten belegt, nur weil irgendeine App sagt: Fahrt da mal hin.


Denkt man sich da nicht als alter Hase, der die besten Spots kennt: „Mensch, das war doch eigentlich mein Platz“?

Ja, das ärgert mich auch total. Weniger aus egoistischen Gründen, sondern weil die alten Hasen früher ein anderes Bewusstsein hatten, zum Beispiel was das Thema „Freistehen“ betrifft: Kann ich das bringen, trete ich da jemandem auf den Schlips? Und ich verlasse den Platz immer mindestens so sauber, wie ich ihn vorgefunden habe. Heute kann jeder seinen geistigen Dünnschiss in die Apps schreiben. Plötzlich stehen da fünf Autos und der Bauer denkt „habt ihr einen Vogel?“, schiebt einen Baumstamm oder drei Steine hin und das war‘s. Am Gardasee konnte man diese Entwicklung über die letzten zehn Jahre ganz gut beobachten: Wenn eine kritische Masse erreicht ist, lässt die Toleranz der Anwohner nach. Das ist sehr schade, da die Campingromantik sich dadurch selbst zerstört.


Ist das nicht ein fast notwendiger Prozess – und müsste man sich wünschen, dass manche Leute lieber zu ihrem angestammten Hotelurlaub zurückkehren?

Schwer zu sagen. Ich denke, dass wir einen Weg finden müssen, das alles unter einen Hut zu bekommen. Nicht zuletzt durch Corona werden große Flugreisen vermutlich kaum mehr die Bedeutung bekommen, die sie einmal hatten. Wir brauchen ein neues Bewusstsein dafür, auch der Heimat Schönes zu entlocken, ohne die Natur und die Tierwelt dabei völlig zu überfordern. Prinzipiell finde ich es schön, wenn mehr Menschen die Natur erleben. Manche rasen da aber nur durch, haben ständig das Handy in der Hand und überhaupt keine Ahnung, was sie da eigentlich tun.


Hast du einen Lieblingsspot, an den du dich noch gerne zurückziehst?

Ja, ich habe sogar mehrere. Von meiner Haustür angefangen bis ins hinterste Italien kenne ich ein paar schöne Plätzchen, die ich auch als kleine Heimatorte ansehe. In Südtirol, im Vinschgau gibt es einen Platz, an dem ich inzwischen auch die

lokalen Bauern kenne, mit einem herrlichen Blick, quasi das Tor zu Italien – noch nicht der heiße Süden, aber auch nicht mehr der verregnete Norden. Ich bin aber keiner, der Spots verrät, weil ich der Meinung bin, dass die Leute sich selber

Lieblingsorte suchen sollen.


Im kommenden Jahr erscheint ein neues Kochbuch von dir. Worauf dürfen wir uns da freuen?

Es wird um das Thema Selbstversorgung gehen. Ich möchte darin die Micro-Adventures vor der Haustüre feiern, die durch Corona noch bewusster in den Fokus gerückt sind: zum Beispiel einen Berufsimker oder eine Gärtnerei zu besuchen. Ich möchte das Interesse und die Liebe zu den Produkten wecken und auf Menschen hinweisen, die mit wahnsinnig viel Hingabe und dabei sehr nachhaltig unsere Lebensmittel erzeugen. Das wird eine zentrale Aufgabe der kommenden Generation: Entweder machen wir so weiter wie bisher, dann wird definitiv alles den Bach hinuntergehen. Oder wir schaffen es, gemeinsam eine Veränderung herbeizuführen – mit der Natur und nicht gegen sie. Das soll die Botschaft meines neuen Buches sein.



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